Saisonvorschau des WB
*** Bericht des Willisauer Boten, Ausgabe vom 6. September 2024, Autor: Patrik Birrer ***
Herren 1, 1. Liga, STV Willisau – TV Dagmersellen // am Samstag, 7.9.2024, Anpfiff um 20.00 Uhr, BBZ Willisau
Highlight zum Auftakt: Gleich im allerersten Meisterschaftsspiel der neuen Saison kommt es zum Derby zwischen dem STV Willisau und dem TV Dagmersellen. Beide Teams treten mit neuen Gesichtern an der Seitenlinie zu diesem prestigeträchtigen Duell an.
von Patrik Birrer
Obwohl die neue 1.-Liga-Meisterschaft erst morgen Samstag beginnt, haben die Willisauer Handballer bereits ein erstes ziemlich dickes Ausrufezeichen gesetzt. Vor gut einer Woche besiegten die Hinterländer in der Vorrunde des Mobiliar Handball Cups den oberklassigen CS Chênois Genève Handball aus der Nationalliga B trotz zwischenzeitlichem 5-Tore-Rückstand mit 35:33 und zogen in die nächste Runde ein.
Nun gilt es morgen Samstag zum ersten Mal in der Meisterschaft ernst. Und wie: Gleich zum Auftakt steht das Derby gegen den TV Dagmersellen auf dem Spielplan. «Was will man mehr?», fragt der neue Trainer Frank Stein, der auf diese Saison hin die Nachfolge von Arno Huber angetreten hat. Stein ist in Willisau alles andere als ein Unbekannter. Und auch mit dem morgigen Gegner aus dem Wiggertal verbindet ihn einiges: Von 2013 bis 2019 trainierte Stein mit grossem Erfolg die U17 der SG Willisau/Dagmersellen. Sehr viele Spieler aus dem heutigen Kader der 1. Mannschaft des STV Willisau waren damals schon dabei. Kann er jetzt also ernten, was er einst selbst gesäht hat? «Ein bisschen ist das so», sagt der 56-Jährige lächelnd. «Aber in der Zwischenzeit haben auch viele andere ihren Teil zur guten Entwicklung der Jungs beigetragen.»
«Noch nie erlebt»
Wenn Stein von «seinen Jungs» spricht, gerät er phasenweise richtig ins Schwärmen. «Ein Team mit einem solchen Zusammenhalt und einer solchen intrinsischen Motivation habe ich noch nie erlebt», sagt er. Das mache es für ihn als Trainer in vielerlei Hinsicht einfacher. Er müsse nie jemanden antreiben. Und doch sind die Erwartungen von Stein, der über die höchste Trainerausbildung (A-Lizenz) sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz verfügt, an seine Spieler enorm hoch. «Bei mir gelten klare Regeln. Diese setze ich konsequent um. Wer nicht mitzieht, ist bei mir am falschen Platz.»
Als die Anfrage der Verantwortlichen des STV Willisau gekommen sei, habe er sich die Zusage nicht lange überlegen müssen. «Weil ich hier auf ein sehr leistungsorientiertes, ambitioniertes Team mit hohen Zielen treffe. Genau das entspricht meinen eigenen Ansprüchen.» Apropos Ziele: Diese lagen für Frank Stein nach eingehender Analyse der vergangenen Saison auf der Hand: «Wenn wir den 5. Rang bestätigen können, wäre das toll. Damit uns das gelingt, müssen wir uns aber in erster Linie in der Abwehr steigern.» In einer ersten Ansprache habe er dem Team zuerst zum Ligaerhalt gratuliert. Da hätten einige verdutzte Gesichter gemacht. Stein erklärt: «Das Team hatte am viertmeisten Gegentore kassiert. Da ist es alles andere als selbstverständlich, dass am Ende Rang 5 rausschaut.»
Kontinuität versus Umbruch
Unterstützt wird Frank Stein von Fabienne Meyer (Sprinttraining), Regi Mehr (Athletiktraining) und Daniel Moser (Physiotherapeut). In der Vorbereitung hätten sie versucht, an den aus seiner Sicht wichtigsten Stellschrauben zu drehen. Der Hauptfokus habe auf der Physis gelegen. «Sie ist die Grundlage von allem.» Daneben genoss die erwähnte Abwehrarbeit einen hohen Stellenwert. «Ich habe gewisse Abläufe und Prozesse verändert, habe versucht, neue Inputs zu geben.» Doch es brauche Zeit, um verinnerlichte Muster aufzubrechen und neue Automatismen zu verfestigen. Im Angriff dagegen hätten sie nur an Details gefeilt. «Das Offensivspiel funktionierte letzte Saison hervorragend. Da muss ich nicht mit neuen Ideen alles über den Haufen werfen.» Mit dem aktuellen Formstand ist Stein zufrieden. «Als Trainer wärst du immer gern weiter. Aber wir sind in einer guten Verfassung und freuen uns auf den Saisonstart.»
Während die Willisauer mit einer eingespielten und personell kaum veränderten Mannschaft in die neue Saison starten, sieht das beim Rivalen aus Dagmersellen ziemlich anders aus. Hier kam es in der Sommerpause zu zahlreichen Veränderungen; in Bezug auf das Kader und im Trainerteam. Neuer Cheftrainer ist Philipp Zimmerli. Der 40-Jährige war zuletzt beim TV Zofingen in der 2. Liga tätig. Das Geschehen beim TVD habe er allein aufgrund der geografischen Nähe immer relativ eng mitverfolgt. «Hier Trainer der 1. Mannschaft zu sein, ist für mich eine grosse Ehre.» Gleichzeitig wisse er um die hohen Erwartungen. Das löse einen gewissen Druck aus. «Aber», so Zimmerli, «ich mag Herausforderungen.»
Herausfordernd ist die Situation, die der neue TVD-Trainer angetroffen hat, allemal. Ihm und seinem Trainerteam mit der ehemaligen Nationalspielerin Angela Dolder und Goalietrainer Charly Wilhelm obliegt es, einen recht grossen Umbruch zu moderieren und innert kurzer Zeit ein in weiten Teilen neues Team aufzubauen. Zimmerli hat Respekt vor der Aufgabe, er sagt aber auch: «Ich bin lange genug im Geschäft und habe das so oder so ähnlich auch schon erlebt. Es liegt an uns allen, das Beste aus der Situation zu machen, hart zu trainieren und uns als Team möglichst schnell zu finden.» Bei der Derby-Hauptprobe im Schweizer Cup am vergangenen Samstag beim letztjährigen 1.-Liga-Spitzenteam aus Pratteln (26:20-Sieg) deutete der «neue» TVD sein Potenzial auf jeden Fall schon mal eindrücklich an.
«Keine Ausreden»
Die ersten Wochen hätten zwangsläufig im Zeichen des gegenseitigen Kennenlernens gestanden. Und er habe versucht, den Spielern möglichst rasch seine Philosophie klarzumachen. «Es geht um Bereitschaft, Leidenschaft und Einsatz, Zusammenhalt. Nur gemeinsam können wir bestehen. Wir haben es selbst in der Hand, wie diese Saison herauskommt. Mein Motto lautet: keine Ausreden.» Selbst versuche er, mit gutem Beispiel voranzugehen.
Handballerisch baue er primär auf eine starke Abwehr. Und im Angriff wolle er sein Team mit möglichst viel Tempo agieren lassen. Er verfechte kein starres System. «Ich muss anpassungsfähig sein. Es ist meine Aufgabe, eine Ausrichtung zu finden, in der die Stärken meiner Spieler möglichst optimal zum Tragen kommen.» Eine ganz wichtige Rolle im neuen Dagmerseller Team dürfte André Willimann spielen. Der Goalie ist nach erfolgreichen Jahren (u. a. Cupsieger mit Wacker Thun 2017) und mehr als 250 Einsätzen in der Nationalliga A zu seinem Stammverein zurückgekehrt. Mit einer überragenden Leistung in Pratteln zeigte Willimann schon einmal, wie wertvoll er für den TVD sein kann.
Gegenseitiger Respekt
Trotz positiver erster Eindrücke: Mit Blick auf die bevorstehende Saison geben sie sich beim TVD keinen Illusionen hin. Nachdem vergangene Saison der Klassenerhalt erst spät gesichert werden konnte, rechnet Philipp Zimmerli erneut mit einem harten Kampf um die Ligazugehörigkeit. «Es gibt keinen Platz für Träumereien. Oberstes und wichtigstes Ziel ist es, in der 1. Liga zu bleiben.»
Nicht zuletzt unter diesem Gesichtspunkt schiebt der neue TVD-Trainer die Favoritenrolle fürs morgige Derby den Willisauern zu. Bis seine Mannschaft ihr bestes Level erreichen werde, dürfte es noch einige Wochen dauern. Doch der Erfolg im Cup habe Selbstvertrauen gegeben und sie wollten ihre Haut in der BBZ-Halle so teuer wie möglich verkaufen. «Wir wissen, dass wir auf einen sehr guten Gegner treffen. Aber vor allem freuen wir uns darauf, vor einer tollen Kulisse auftreten zu dürfen. Für den Handball in der Region sind diese Derbys etwas Wunderbares.»
Frank Stein auf der anderen Seite will von Favorit oder Nicht-Favorit im Vorfeld des Derbys nichts wissen. «Wir stellen uns auf einen harten Match ein und werden sie sicher nicht unterschätzen.» Zweifellos hätten sie vor dem Derby gerne noch den einen oder anderen Ernstkampf mehr bestritten. «Aber jetzt ist es so. Wir fokussieren uns auf unsere Leistung und werden alles dafür tun, um das Derby für uns zu entscheiden.»
In den Aussagen von Philipp Zimmerli und Frank Stein schwingt grosser Respekt vor dem Gegner mit. Kampfansagen oder gar Sticheleien in Richtung des grossen Rivalen sind keine zu hören. Gleichwohl scheint festzustehen: Morgen Abend in der BBZ-Halle dürfte es gleich zum Saisonauftakt auf und neben dem Feld richtig rund gehen.
*** Bericht des Willisauer Boten, Ausgabe vom 6. September 2024, Autor: Patrik Birrer ***